Themenwanderung Adelegg mit Rudi Holzberger
Es gibt noch drei. Nur noch drei Staatsjäger in ganz Bayern. Einen trafen wir vor seinem Hof am Wolfsberg, wie er umgeben von seinen Hunden und einer Katze ein kleines scheues Rehkitz umsorgte, dessen Mutter vor zwei Nächten tot am Straßenrand im Tal gefunden wurde. „Wir fanden nur das eine hier, die zwei anderen sind uns entwischt.“ Auf unsere Nachfrage, was mit denen wohl passiert, folgt die lakonische Antwort:“Die holt der Fuchs. Das ist die Natur“.
Eine kleine Geschichte auf unserer Wanderung, auf der uns Rudi mit unzähligen anderen Geschichten, Erzählungen und Wissenswertem unterhielt, so wie sie nur einer wissen und erzählen kann, der hier aufgewachsen ist und sich mit Leib und Seele der Adelegg verschrieben hat. Mensch und Natur ist die wechselvolle Geschichte der Adelegg. Pünktlich um neun starteten wir am Hofgut Kürnach und der alten Säge, wo uns Rudi in die Wanderung einführte und schon von der spürbar anderen Luft schwärmte, die uns ein Stückchen weiter oben erwartete. Die Adelegg. Eine Welt für sich am Ende der Welt. Das dunkle Herz des Allgäus, sein Schattenreich, wie es oft genannt wird. In seine wechselvolle Geschichte wollte uns Rudi auf den folgenden fünf Stunden ein wenig eintauchen lassen. Noch vor Erreichen des Wolfsbergs standen wir auf einem schmalen Pfad vor einer Wüstung mitten im Wald –einer der vielen verlassenen Berghöfe der Adelegg, erkennbar oft nur noch an ihrem Hofbaum und einigen Resten der Grundmauern. Unterwegs konnten wir einige solcher Hofbäume ausmachen, wie sie aus den dichten Fichten weithin erkennbar aufragten. Überhaupt – die zunehmende Verwaldung der Adelegg als das Kernthema, mit dem sich nicht nur Rudi, sondern viele Landschaftsschützer und die Bauern herumschlagen. Nur noch selten hat man weite Blicke aus den wenigen Lichtungen über das Land, die Voralpen, die Berge bis hin zum Bodensee und gar zum Feldberg. Von der Kreuzleshöhe , mit 1115m der höchste Punkt unserer Wanderung, genossen wir diesen Blick untermalt mit den Geschichten Rudis zu den Berghöfen, die von hier oben zu sehen waren. Bevor wir aber dort oben anlangten, standen wir vor einem Hexenkreis aus Steinen, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Rudis Rat: wer mutig ist und sich hinein stellt, wird dies spüren, rothaarige Frauen allerdings mögen sich fernhalten, da sonst leicht Funken sprühen. Von der Höhe dann stetig abwärts an blumenübersäten Bergwiesen und Gehöften vorbei, allmählich langsam wieder in den Wald oberhalb von Kreuzthal eintauchend, entlang von einem Hag aus „Elefantenbäumen“, die durch das Schneiteln ganz sonderbare Formen annehmen, einem Seilgarten, der plötzlich im Wald versteckt neben einem kaum sichtbaren Hofbaum auftauchte , vorbei am einzigen ebenen Fußballplatz des Kreuztales in luftiger Höhe, wo Rudi als junger Bub mit seinen Freunden zum Spielen heraufkam, vorbei an der Liebesbank, ehemals umgeben von drei Birken, wo sich die Kreuzthaler Jugend Nächtens traf, weitab von allen Blicken und dem Pfarrhof, wie Rudi augenzwinkernd bemerkte, danach Rudis Skilift, dessen Seile jetzt im Sommer seltsam verloren die Verbindung ins Tal andeuteten, und schließlich in einem letzten Steilhang hinab dem Dorf zustrebend. So bot sich uns der Blick auf den schiefen Turm von Kreuzthal und das Dorfbild samt ehemaligem Herrenhaus. Von dem ehemals autarken Leben des zweigeteilten Dorfes ist nichts mehr übrig, nicht die zweigliedrige Schule, nicht die Bäckerei und das Cafe, nicht der Metzger, die Schmiedewerkstatt und auch der Pfarrer kommt nun aus Buchenberg in die Kirche, an der langsam der Verputz abbröckelt. Von hier aus strebten wir entlang der Eschach auf dem Glasmacherpfad aus dem Ende der Welt kommend vorbei am letzten Arbeiterhaus der Glasmacher langsam dem Talende bei Schmidsfelden und dem Ende unserer Wanderung entgegen, untermalt noch von den Erzählungen Rudis über Irrungen und Wirrungen der Flüchtlinge gegen Ende des letzten Weltkrieges, die hier im Kreuzthal ihre Zuflucht fanden.
Unsere Wanderung bei herrlichem Wetter, der sich 22 Grenzgänger angeschlossen hatten, fand ihren Abschluss im „Rössle“ in der Haselburg. Mein Dank geht an den Tourenführer Hans Weinmann, der diese Tour vorbereitet hat, die sicherlich nach einer Wiederholung ruft und natürlich an Rudi Holzberger, der uns auf höchst unterhaltsame Weise durch sein Schattenreich begleitete und uns mit seiner Begeisterung und nachdenklichen Bemerkungen ansteckte über einen Landstrich, der wie kaum ein anderer in Deutschland in wenigen Jahrhunderten so dramatische Umwälzungen in einem stetigen Auf und Ab erlebte wie die Adelegg. Und so gibt es nur noch einen. Einen Vollbauern im ganzen Kreuzthal, an dessen Hof am Gegenhang wir zum Schluss vorbeikamen, wo vor noch nicht allzu langer Zeit das Häuschen des ersten Glasmeisters Schmid von 1678 abgerissen und durch ein Austragshaus ersetzt wurde.
Bericht von Hanse Schmid